Freitag, April 29, 2005

Ich gegen Isabella

Eines gleich Vorneweg - Isabella ist mein Wecker. Isabella trat vor einigen Jahren in mein Leben, ganz unverhofft und anfangs war ich relativ skeptisch. Zu kurz war die Zeit gewesen, in der ich mich von der alten Isabella (dem alten, kaputt gewordenen Wecker) verabschieden und um ihr trauern konnte. Doch nun war die neue Isabella da und ich mußte mich daran gewöhnen.
Zaghaft waren unsere erste Versuche uns gegenseitig auf uns einzustellen, schüchtern drehte ich an ihrer Hinterseite herum um endlich die richtige Uhrzeit zu erhalten. Doch mit der Zeit legten wir unsere Scheu und Schüchternheit endlich ab und es ging wahrlich rund. Ohne Skrupel und mit einem "Hurra" drehte ich an Isabella herum um die gewünschten Weckzeiten einzustellen, mit todesverachtender Geschwindigkeit und einer Einfühlsamkeit die ihresgleichen sucht. Wir lebten glücklich und zufrieden, wir waren ein Team, wir waren Freunde, wir hatten eine Beziehung - wir konnten uns ein Leben ohne uns nicht mehr vorstellen. Es hätte ewig so weitergehen können doch eines Tage schlich sich Zwietracht ein wie ein Dieb in der Nacht.

Sie weckte mich nicht, schamlos ließ sie mich im Stich, missbrauchte mein Vertrauen - und ich verpennte einen wichtigen Termin. Es entstand eine Kluft und doch wollte ich ihr noch eine Chance geben. Ich schenkte ihr neue Batterien und es schien zu funktionieren. Langsam, in Zwergeschritten näherten wir uns wieder an. Es war fast schon wieder so wie vor diesem unseligen Tag und ich wiegte mich in Sicherheit doch dann...

Sie enttäuschte mich wieder, sie begann einfach zu einer Zeit zu lärmen und Klingeln zu der jeder Mensch noch schläft. Ohne von mir den Auftrag erhalten zu haben. Ich war entsetzt! All das Vertrauen, all meine Zuneigung zu Isabella waren wieder einmal von ihr grauenhaft verletzt worden. Nun sollte sich unsere Beziehung die einst so von Respekt und Liebe geprägt war für immer ändern. Aus dem romantischen Klingeln und dem zärtlichen Knopfdruck als Antwort meinerseits wurde blanker Hass.

Heute sieht die Sache folgendermaßen aus. Isabella klingelt (meistens zu früh oder zu spät denn sie hat nichts mehr zu verlieren). Ihr Klingeln wird von einem empörten Grunzen meinerseits beantwortet. Ich drücke gar nicht mehr den Knopf um sie abzustellen sondern vergrabe meinen Kopf unter meinen zwei Kopfpolstern sowie meinen kleinen Schmusepolster. Nach einiger Zeit habe ich die Kraft gefunden mich ihr zu stellen. Ich erhebe meinen Kopf und sehe sie auf der Ablage. Mit verknitterten Gesicht, die dunkelblauen Augen kaum offen funkel ich sie wütent an. Meine ansonsten meist zu einem leichten Lächeln geformten Lippen sind zusammengekniffen. Meine Haare stehen noch wilder zu berge wie sie es sonst zu tun pflegen.

Doch Isabella lässt sich davon nicht einschüchtern. Immer schneller, immer lauter klingelt sie. Ich versuche sie von der Ablege zu stoßen doch aufgrund meiner Müdigkeit räume ich nur Taschentücher, eine Mineralwasserflasche sowie die Fernbedienung von der Ablage - Isabella bleibt unversehrt. Nach einiger Zeit und einem zerbrochenen Wasserglas habe ich es trotzdem geschafft sie mit einem linken Haken von der Ablage zu stoßen.

Doch Isabella klingelt nun zwei Meter entfernt immer noch dahin als ob es kein Morgen gäbe. Beim ersten Versuch aus dem Bett zu springen um ihr nun endgültig den Garaus zu machen stoße ich mir den Kopf. Nun reibe ich mir die bald entstehende Beule und wage es noch einmal. Es klappt, ich rolle aus dem Bett, bewaffnet mit meinem Kuschelpolster. Drohend schwingt der Kuschelpolster in der Luft während ich über die Verkabelung meines PCs stolpere und mir den Ellbogen am Schreibtisch stoße. Doch nun, nach all diesen Mühen und Verletzungen liegt sie vor mir - Isabella, mein Wecker der noch immer klingelt. Ich schraube mich in die Luft um daraufhin auf Isabella zu landen doch außer dem Effekt, dass mein linker Fuß nun schmerzt habe ich nichts ausrichten können. Isabella klingelt immer noch und scheint unversehrt. Nun packe ich sie und laufe mit ihr im Arm in die Küche wo ich sie Abwechselnd für kurze Zeit in den Gefrierschrank, in den E-Herd und in die Mikrowelle stecke doch auch diese Attacken wiedersteht sie unbeschadet. Es hilft nichts - ich stehe auf verlorenem Posten.

Heute habe ich meinen Kampf aufgegeben. Ich schlafe nun bei Wind und Wetter auf dem Balkon. Natürlich hole ich mir im Winter Erfrierungen und im Sommer weckt mich die Sonne um fünf Uhr früh, natürlich werde ich dadurch zum Nervenbündel, doch was soll ich machen? Isabella besetzt noch immer mein Zimmer und die Batterien werden sicherlich noch ein Jahr ausreichen bis sie auf ewig verstummt.

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